In vielen Schulen mangelt es an Fortschritten im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) aufgrund von Wissenslücken, rechtlichen Unsicherheiten, technischen Ressourcenmängeln und der Bewertung pädagogischer Auswirkungen. Durch eine enge Zusammenarbeit mit der Schulbehörde Hamburg (BSB) und dem Landesinstitut für Schulentwicklung und Lehrerbildung (LI) hat ARIC seit Mai 2023 mehrere Initiativen wie das ARIC School Days-Programm, das ARIC Train the Trainer-Format und die ARIC Community of Practice KI & Schule implementiert, um diese Herausforderungen anzugehen. Diese Programme bieten Lehrkräften kontinuierliche Weiterbildung und Vernetzungsmöglichkeiten, um KI-Kompetenzen zu fördern und in den Unterricht zu integrieren. Der Erfolg dieser Aktivitäten basiert auf kontinuierlichem Austausch, Feedbackschleifen und der engen Kollaboration aller beteiligten Akteure. Die positiven Ergebnisse und das Interesse aus anderen Bundesländern unterstreichen die Bedeutung dieser gemeinsamen Anstrengungen für eine zukunftsfähige Bildung.
Herausforderungen bei der Integration von KI in Schulen
Immer wieder begegne ich Aussagen, dass sich in Schule viel zu wenig bewegt, wenn es um KI geht. Die Gründe dafür sind vielschichtig und entsprechen zum größten Teil jenen, die ich höre, wenn ich Beratungen in Unternehmen durchführe. Es mangelt vor allem an:
- KI-Know-how, verschärft durch die besondere Herausforderung, die sich aus der hohen Geschwindigkeit der KI-Entwicklung ergibt,
- Rechtssicherheit, insbesondere was Themen des Datenschutzes angeht,
- Unsicherheit bzgl. der Eignung marktgängiger KI-Systeme im Hinblick auf verwendete Trainingsdaten, potenziellem Bias, Qualität der Inhalte, etc.
- technischen Ressourcen und funktionierender WLAN-Anbindung,
- Orientierung in der Bewertung von pädagogischen Folgen der KI-Entwicklung und im Umgang mit einer Weiterentwicklung der Lehre,
- Finanzierung der Kosten von KI-Anwendungen.
Weiterbildung als Schlüssel zur Lösung
Die große Klammer, die viele Themen verbindet, ist der Mangel an KI-Know-how. Weiterbildung der Akteure in diesem Bereich – und das zeigt auch meine Erfahrung aus ähnlichen Situationen in der Wirtschaft – unterstützt auch Fortschritte gleich in mehreren der angesprochenen anderen Themenfelder.
Zusammenarbeit mit der Schulbehörde Hamburg und dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung
Umso wichtiger, dass die Schulbehörde (BSB) drei Monate nach Erscheinen von ChatGPT mit uns Kontakt aufnahm, um mit uns die Schulleitungstagung „#dms Explorationen: KI in Schule und Gesellschaft“ im Mai 2023 zu organisieren, mit Vorträgen, Workshops und einem Marktplatz von Projekten, Initiativen und Unternehmen, die zum Thema KI in der Schule betragen konnten. Daraus hat sich eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen ARIC, BSB und LI ergeben, die einige innovative Kooperationsformate hervorgebracht hat, die ich aufgrund der gesammelten positiven Erfahrungen im Folgenden vorstellen möchte. Vielleicht kann dieser Erfahrungsbericht zum gewählten Hamburger Weg und die aufgeführten Lessons Learned dabei unterstützen, auch in anderen Regionen AI Literacy in die Schulen zu bringen bzw. weiter auszubauen.
Unsere Kollaborationsformate
ARIC School Days
Als Sofortmaßnahme führten wir kurz nach der Schulleitungstagung im Mai 2023 die ARIC School Days ein. Dabei handelt es sich um ein regelmäßig wiederkehrendes Schulungsformat, zu dem Lehrer und Lehrerinnen aller knapp 400 staatlichen allgemeinbildenden und beruflichen Hamburger Schulen eingeladen sind. Zunächst erhalten die Teilnehmenden in unserem KI-Showroom mit KI-Exponaten eine KI-Grundlagenschulung über 45-60 Minuten durch Expert:innen des ARIC mit der Möglichkeit, Fragen zu stellen. Im Anschluss werden die Teilnehmenden von BSB und LI übernommen. In einem Nachbarraum werden ebenfalls in 30-45 Minuten der aktuelle Status der KI-Einführung in Hamburg seitens der Behörde vorgestellt sowie seitens des LI das vielfältige Fortbildungsangebot vorgeführt, zu dem sich die Lehrkräfte anmelden können, ebenfalls abgerundet mit einer Fragenrunde.
Pro ARIC School Day wurden von Anfang an ausreichend Slots für eine dreistellige Zahl von Lehrkräften angeboten, und (nur in der Anfangszeit) die Anmeldung auf max. vier Lehrer und Lehrerinnen pro Schule beschränkt. So konnten wir sehr schnell viele Schulen erreichen, an denen die Teilnehmenden wiederum als Multiplikatoren wirken konnten.
Anschließend richteten wir das bedarfsorientiert organisierte ARIC Train the Trainer Format ein, bei dem in einer knapp dreistündigen Schulung die Fortbildner und Fortbildnerinnen des LI geschult werden. Das ist ein Format, mit dem bedarfsgerecht und inhaltlich anspruchsvoll dem technologischen Informationsbedarf derjenigen entsprochen werden kann, die den Hauptanteil der KI-Kompetenzvermittlung Richtung Lehrerschaft schultern.
ARIC Train the Trainer
Anschließend richteten wir das bedarfsorientiert organisierte ARIC Train the Trainer Format ein, bei dem in einer knapp dreistündigen Schulung die Fortbildner und Fortbildnerinnen des LI geschult werden. Das ist ein Format, mit dem bedarfsgerecht und inhaltlich anspruchsvoll dem technologischen Informationsbedarf derjenigen entsprochen werden kann, die den Hauptanteil der KI-Kompetenzvermittlung Richtung Lehrerschaft schultern.
ARIC Community of Practise (CoP) KI & Schule
Und schließlich gründeten wir die ARIC Community of Practice (CoP) KI & Schule, ein regelmäßiges, von uns begleitetes Austauschformat auf Augenhöhe für Hamburger Lehrkräfte, die sich gezielt zum Thema vernetzen und mit anderen in Austausch treten wollen, um sich inspirieren zu lassen, Erfahrungen weiterzugeben und konkrete Fragen zu klären.
Flankierende Maßnahmen von ARIC und LI
Diese Formate werden ARIC-seitig flankiert mit Vorträgen vor Lehrerkollegien, Paneldiskussionen und Vorträgen an Schulen, Schulführungen im ARIC-eigenen KI-Showroom, sowie der Durchführung von Workshops für Schüler und Schülerinnen.
Seitens des LI wurden umfangreiche Vortrags- und Workshopinhalte entwickelt, die tatsächlich für jedes Fach konkrete Ansatzpunkte aufzeigen, wie KI in der Schule in den Unterricht eingebunden werden kann: sowohl als Werkzeug für Schüler:innen und Lehrkräfte als auch als Unterrichtsinhalt. Und diese werden kontinuierlich weiterentwickelt, aktualisiert, ergänzt und in der Fortbildung eingesetzt.
Erfolgsfaktoren des Hamburger Wegs
Lessons learned
Was sind wichtige Erfolgsfaktoren des Hamburger Wegs bzgl. Konzeption der inhaltlichen Zusammenarbeit und Organisation der Zusammenarbeit auch im Hinblick auf die handelnden Akteure?
- ein kontinuierlicher Austausch auf Arbeitsebene, der sicherstellt, dass ein regelmäßiger inhaltlicher Austausch zu Neuentwicklungen im Markt und in der Schule stattfindet und gleichzeitig der persönliche Kontakt gepflegt wird
- eine enge Kollaboration inkl. Einbringen der Stärken und Möglichkeiten aller Parteien im Hinblick auf die kontinuierliche (Weiter-) Entwicklung bedarfsgerechter Formate
- ständige Feedbackschleifen mit bewusster Hinterfragung des Status Quo und gezielten Überlegungen zu Optimierungen sowie Kreativität und Agilität im Gestalten neuer Formate,
- eine pragmatische und flexible Denk- und Arbeitsweise,
- eine klare Fokussierung auf Kompetenzbildung bei Multiplikatoren, um das Wissen schnellstmöglich in die Breite und Anwendung zu bringen
- innerhalb der Zusammenarbeit alle für eine schlagkräftige Vorgehensweise wichtigen Akteure vereint zu haben, also den Dreiklang von KI-Expertise (ARIC), institutionalisierter Lehrerfortbildung sowie pädagogischer-Expertise (LI – vertreten durch die neu eingerichtete Kompetenzstelle KI) und institutionellem Rahmengeber (BSB)
- Über die reine Vertretung von Institutionen hinaus war es nach meiner Einschätzung entscheidend, in allen in diesem Konzept wichtigen Institutionen Ansprechpartner zu haben, die für das Thema KI nicht nur zuständig waren, sondern sich im besten Sinne auch dementsprechend verhielten: das Mindset ist essenziell.
- Bzgl. der inhaltlichen Konzeptionierung ist es wichtig, den Lehrern und Lehrerinnen nicht nur eine einmalige Veranstaltung anzubieten, sondern einen tragfähigen Lernpfad, der kontinuierlich bereitsteht und wirkt. Dieser ist vor allem über das Workshopangebot des LI gegeben. Mit der CoP bieten wir aufsattelnd eine zusätzliche Vernetzungs- und Austauschmöglichkeit außerhalb festgelegter Inhalte. Damit können wir aktuelle Themen und Fragestellungen, die die Lehrkräfte beschäftigen, aufgreifen und gerade bei Themen, die für Schule neu entwickelt werden müssen, in der Gruppe Orientierung geben.
„Es bedarf einer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengung, um unsere Schulen in die Zukunft zu führen”
Gemeinsam geht es besser und schneller
Es bedarf einer gemeinsamen gesellschaftlichen Anstrengung, um unsere Schulen in die Zukunft zu führen. Jetzt, nach etwas über einem Jahr der geschilderten Zusammenarbeit, für die wir uns in Hamburg entschieden haben, bin ich überzeugt davon, dass der Hamburger Weg, den wir gemeinsam mit BSB und LI gewählt haben, sich bewährt hat und ein Best Case innerhalb einer Fülle notwendiger Maßnahmen auf dem Weg zur Befähigung der Schulen im Umgang mit KI ist.
Mittlerweile werden wir auch aus anderen Bundesländern auf einen Erfahrungsaustausch zu unseren Formaten angesprochen, mit dem Interesse, diese auch in anderen Regionen als Formate aufzusetzen. Das freut uns vor allem, weil wir der Überzeugung sind, dass dies dem Umgang mit KI an Schulen nur guttun würde und ist deshalb eine Entwicklung, die wir auf Basis unserer guten Erfahrungen nur ermuntern können. Ich hoffe, dass dieser Erfahrungsbericht auf diesem Weg unterstützen kann.
„Und am Ende des Tages gilt natürlich das, was nach meiner Erfahrung in allen Organisationen bei Transformationsprozessen gilt: Strukturen, Formate und Konzepte sind wichtig. Über Erfolg und Misserfolg entscheiden unterm Strich aber die handelnden Akteure mit ihrem Engagement, ihrer Offenheit und ihrem Kooperationsstil.”
Dank an die engagierten Akteure
Mein besonderer Dank gilt deshalb (in alphabetischer Reihenfolge) Johanna Catón, Britta Kölling, Verena Lawrenz und Katrin Wenzel – auch stellvertretend für die große Zahl an sehr engagierten Führungskräften und Mitarbeitenden in der BSB und dem LI, die ich im Laufe der Zeit kennengelernt habe, und die hier leider nicht alle aufgelistet werden können. Diese sind tatkräftig und eigeninitiativ an der Arbeit, die rund um Kompetenzbildung und Nutzung von KI an Hamburger Schulen geleistet wird, beteiligt.
Und darüber hinaus natürlich auch dem in Hamburg sehr vitalen Ökosystem an sich für KI an Schulen engagierenden Akteuren – seien es nun Anbieter von KI-Bildungsprogrammen wie Diana Knodel von Fobizz oder non-profit Initiativen, Projekte sowie Unternehmen wie der Hacker School von Julia Freudenberg, die alle einen wichtigen Beitrag leisten.
Und selbstverständlich wäre das alles umsonst, wenn es nicht sehr viele Lehrer und Lehrerinnen gäbe, die sich der Entwicklung engagiert stellen, und die neuen Erkenntnisse anwenden und weiterentwickeln. Meinen Dank an alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen unserer Formate, Workshops und Vorträge, die dieses Wissen für sich und ihre Schülerinnen und Schüler genutzt haben und weiter nutzen!
Fazit und Ausblick
Jetzt, passend zum Ende des Schuljahres und zurückblickend auf fast anderthalb Jahre enge Zusammenarbeit, macht es Sinn, einmal diese erste Phase der Zusammenarbeit im Rahmen des gewählten Hamburger Wegs für AI Literacy an Schulen zu bilanzieren. Es ist uns als Zusammenschluss der Kooperationspartner gelungen, durch Information zeitnah und nachhaltig Orientierung zu geben in einer durch ChatGPT aufgewühlten, orientierungslosen Zeit. Das ist in jedem Fall ein wichtiger Erfolg, der den gewählten Weg bestätigt, wie das umfangreiche positive Feedback der Teilnehmenden auf die Maßnahmen nachdrücklich aufzeigt.
Und wie geht es weiter? Wir haben mittlerweile einen Status erreicht, bei dem in der Lehrerschaft alles in allem grundsätzlich ordentliches (zum Teil bereits sehr gutes) Basiswissen zu KI vorhanden ist. Auch das LI verfügt in den einzelnen Fachbereichen mittlerweile selbst über veritable KI-Expertise im Bildungsbereich, so dass wir unsere Kooperationsformate derzeit auf Basis der Gegebenheiten und Bedarfe der aktuellen Situation neu aufsatteln. Aber das ist das Thema eines zukünftigen Artikels…
Ein Beitrag von Marina Tcharnetsky
Marina Tcharnetsky ist CBDO des ARICs und ARIC Ambassador.
Weitere Links zum Thema:
- Berufsbildung an der Schule in Zeiten von KI
- KI-Woche an Hamburger Gymnasien
- Premiere ARIC School Days
- ak23 Alumnaekonferenz „Unsere Zukunft“
- Girls and Boys Day im ARIC
- KI im Superwahljahr – Veranstaltung für Lehrkräfte und Aktive in der Kinder- und Jugendarbeit
- Wie bringe ich AI Literacy in die Schulen?