Michael Koch, ARIC-Vorstand

Interview: Neuer ARIC-Vorstand Michael Koch über Künstliche Intelligenz

Das ARIC hat einen neuen Vorstand. Neuer Teil des ARIC-Vorstands ist Michael Koch, Director Data Analytics & Artificial Intelligence bei Lufthansa Industry Solutions. In Teil 1 des ARIC-Interviews spricht er darüber, wie er zu KI gekommen ist und, welche Entwicklungen er im KI-Bereich beobachtet.

 

Wie bist du zum Thema KI gekommen?

Michael Koch: Schon in meinem Informatikstudium interessierten mich Daten und große Datenbanksysteme. In meinen ersten Berufsjahren habe ich dann für verschiedene Unternehmen in der Industrie zentrale Datenhubs aufgebaut. Dabei ging es vor allem darum, die Historie zu bewerten und daraus Entscheidungen zu generieren. Als ich bei der Lufthansa anfing, ging es zunehmend darum, valide Vorhersagen zu treffen wie zum Beispiel, wie groß das Frachtvolumen pro Flugzeug sein wird oder wie viele Mahlzeiten an Bord eingeplant werden müssen. Und damit kam die KI verstärkt ins Spiel.

 

Welche spannenden KI-Anwendungen gibt es noch?

Die Anwendungsmöglichkeiten von KI in Unternehmen ist vielfältig, insbesondere auch vor dem aktuellen Hintergrund der Pandemie. Setzt man beispielsweise zur Einhaltung von Abstandsregeln Computer Vision ein, kann man anhand von Bildzählungen feststellen: Wie viele Personen vor Ort sind oder wie lang die Wartezeiten sein werden. Das ist insbesondere im Flughafenbereich interessant, aber auch für Touristen Hot Spots wie St. Peter Ording. Ein anderes Beispiel ist die Sprachverarbeitung, die man einsetzen kann, wenn es um die schnelle automatisierte Auswertung von Kunden-Feedback geht. Diese Daten können KIs sehr zuverlässig verarbeiten, um den richtigen Ansprechpartner zu adressieren und die Reaktionszeit zu verkürzen.

 


Touristenzählung per AI in St. Peter Ording

Das Handy zeigt Ausschnitte aus App, mittels der die KI-gesteuerte digitale Besucherlenkung am Strand von St. Peter Ording vorgenommen wird.

Im Touristenort St. Peter Ording führt LHIND zusammen mit Projektpartnern ein Projekt zur digitalen Besucherlenkung durch. Die KI wertet Daten aus, die aus anonymisiertem WLAN-Tracking, anonymisierter Bilderkennung und Lasertechnik stammen und misst Personendichte und Auslastung. Die Ergebnisse werden dann als Ampelsystem dargestellt – zum Beispiel auf den Smartphones der Besucher, die sich so über die Auslastung der Strände informieren können.



Wie hat sich der KI-Bereich in den letzten Jahren weiterentwickelt?

Allgemein ist die rasante Entwicklung der Künstlichen Intelligenz insbesondere auf methodische Fortschritte, sowie die größere Verfügbarkeit von Massendaten und Rechenpower zurückzuführen. Die Datenmengen, die jetzt gesammelt, gespeichert und verarbeitet werden können, ermöglichen überhaupt erst Machine-Learning-Verfahren und moderne KI-Applikationen. In einem datengetriebenen Unternehmen können sich Entscheider auf Daten statt auf das Bauchgefühl verlassen.

Ebenso ist das Vertrauen in Vorhersagesysteme gewachsen und mittlerweile in größeren Firmen Alltag. Auch im Mittelstand kommt KI jetzt an, da mit vortrainierten Lösungen als Cloudservice eine geschäftsgenerierende KI in die Reichweite mittelständischer Unternehmen gelangt ist. Wir sind aber noch längst nicht da, wo wir sein könnten. Unternehmen experimentieren zwar häufig mit KI, aber haben Schwierigkeiten, die Technologie in ihre Standardabläufe einzubinden. Wichtig ist es von daher, sich genau zu überlegen, welche KI-Lösungen für ein Unternehmen betriebswirtschaftlich und strategisch in Frage kommen.

 

Angenommen, eine KI-Skeptikerin würde sagen: Ich möchte das gar nicht, dass alles per KI funktioniert, das ist mir unheimlich. Was würdest du entgegnen?

Keine Angst vor KI, denn grundsätzlich werden mit ihr hauptsächlich repetitive Aufgaben gelöst. Und das sind Aufgaben, die die meisten von uns gar nicht machen möchten. Zum Beispiel, dass man 1-2 Stunden am Tag immer wieder in E-Mails die gleichen Fragen beantworten muss oder etwa Personenzählungen durchzuführen, die viel einfacher und schneller mit einer KI gemacht werden können. KI-Anwendungen unterstützen jeden einzelnen von uns in seinen Alltagsaufgaben.

Auf der anderen Seite können sie auch nichts anderes: Sie sind nicht hyperintelligent. Sie können nur Routinetätigkeiten übernehmen und sind nicht besser als der Mensch. Sie bilden im negativen Fall sogar unsere Fehler und Vorurteile ab, weil sie mit den menschlichen Daten trainiert werden. Deshalb ist das Bestehen auf Datenqualität wichtig, weil – egal, ob gewollt oder ungewollt – durch eine willkürliche, unzureichende oder gar diskriminierende Auswahl von Input-Daten die jeweiligen Analyseergebnisse verzerrt oder manipuliert werden können.

 

Eine Chance von KI ist es also, eintönige Arbeiten zu automatisieren. Gibt es nach deiner Einschätzung noch anderes Potenzial?

Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) können in Unternehmen sowohl höhere Effizienz erzielt, fundiertere Entscheidungen getroffen als auch völlig neue Geschäftsmodelle entwickelt werden.

Es gibt mittlerweile Geschäftsmodelle, die komplett auf Daten beruhen. Das sieht man zum Beispiel in der Versicherungsindustrie, wo jeder mittlerweile im Internet einen Vertrag für eine Autoversicherung abschließen kann. Da beruht vieles auf KI, die die richtigen Vorschläge und Verknüpfungen macht. Das gab es so vor 5-10 Jahren noch nicht.

 

In Teil 2 des Interviews spricht Michael Koch über den Mittelstand und KI und den Stand der Automatisierung in Deutschland.