Wie beeinflusst ChatGPT die Jurawelt? Werden Urteile bald nur noch von Robotern gesprochen? Und was sagt eigentlich die Rechtssprechung zu den neuesten Entwicklungen der generativen KI? In der neuen Kolumne Richter und Roboter von ARIC und Fieldfisher beleuchten Dennis Hillemann und Stephan Zimprich im Wechsel einmal monatlich Themen aus KI und Recht. Im Februar geht es um KI-generierte Linkedin-Posts.
Anwälte haben wenig Zeit. ChatGPT und vergleichbare Sprachmodelle werden deshalb begeistert aufgenommen – vor allem auch, um den Output bei Marketingmaßnahmen drastisch zu erhöhen. Für Social Networks ist das ein echtes Risiko.
Selten ist ein neues Tool so begeistert aufgenommen worden wie ChatGPT. Die Sprach-KI erreichte nur 5 Tage nach dem Launch eine Million Nutzer – schneller als Instagram und Spotify. ChatGPT ist damit die bis dato mit Abstand am schnellsten wachsende Verbraucheranwendung der Welt. Im Windschatten von ChatGPT gedeihen auch spezialisierte Anwendungen, die etwa eine höhere faktische Genauigkeit oder eine Annotation bieten, oder mit deren Hilfe man bestehende Texte schnell so umformulieren kann, dass urheberrechtliche Risiken genauso minimiert werden wie die Erkennbarkeit des Texts als „KI-generiert“.
Auch Kanzleien haben das Potential sofort erkannt. Die Großkanzlei Allen & Overy etwa hat jüngst bekannt gegeben, Lizenzen für den Chatbot „Harvey“ für alle 3500 Anwälte erworben zu haben. Das Tool soll den Anwälten bei der Erstellung von Texten wie Memos und Merger-Dokumentation helfen.
Bei den meisten Anwälten steht aber aktuell ein ganz anderer Use Case im Vordergrund: Denn die Chat-KIs können Marketingmaßnahmen drastisch beschleunigen. Der Output an Beiträgen auf berufsbezogenen Plattformen wie Xing oder LinkedIn hat sich bei einigen Anwälten vervielfacht. Schon vor ChatGPT waren viele Profile auf diesen Plattformen KI-generiert; jetzt steigt der Anteil KI-basierter Beiträge, und zwar rasant.
Für den menschlichen Nutzer ist es oft schwierig, Unterschiede zwischen KI-generierten und „echten“ Texten zu erkennen. Auch mit entsprechender Schulung liegt die Erkennungsquote Studien zufolge bei nur wenig mehr als 55 Prozent. Sind die Texte vor der Veröffentlichung mit Tools wie Sudowrite auf „menschlich“ getrimmt, dürfte die Erkennungsquote noch deutlich niedriger liegen. Auch einer KI fällt es schwer, KI-Texte von echten Texten zu unterscheiden.
Für die Zukunft der Berufsnetzwerke verheißt das nichts Gutes. Die Netzwerke werden überschwemmt von immer mehr (KI-generierten) Inhalten, wenn wer noch wahrgenommen werden will, muss immer mehr und immer schneller produzieren. KI-Texte dominieren durch schiere Masse. Menschgemachte Inhalte sind kaum noch sichtbar – zu langsam, zu aufwändig, zu wenig. Für Nutzer sinkt die Motivation, Zeit auf den Plattformen zu verbringen. Ein Profil auf Xing & Co wäre dann nur noch wichtig, um vernetzt zu bleiben, und um selbst zu veröffentlichen (mit Hilfe einer KI, natürlich). Wenn dann noch die Interaktion mit anderen im Netzwerk automatisiert wird, gibt es keinen Grund mehr, selbst Zeit auf einer Plattform zu verbringen Und dafür kann man Like-Bots nutzen, die auf Schlüsselwörter reagieren und Likes für die entsprechenden Beiträge verteilen.
Es fehlt dann nicht mehr viel, und es entsteht ein weitgehend geschlossenes KI-Interaktionssystem auf sozialen Netzwerken, welches ohne menschliche Eingriffe auskommt: KI-generierte Profile erstellen KI-generierte Texte, die von KI-gestützten Bots geliked werden, woraufhin aus den Texten mit den meisten Likes neue Texte generiert werden. Echte Menschen, so viel dürfte sicher sein, dürften sich kaum freiwillig in eine solche Contentwalze begeben.
Für Social Networks dürfte die zuverlässige technische Erkennung von KI-Inhalten (und deren Blockade) deshalb überlebenswichtig sein. Für Anwälte und alle anderen stellt sich die Frage, wie lange die Netzwerke als Kommunikationskanäle in den Markt noch funktionieren – und was sie ersetzt.
Stephan Zimprich ist spezialisiert auf Fälle mit Technologiehintergrund und berät Mandant:innen hauptsächlich aus dem Digitalsektor in den Bereichen Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Medienrecht und IT-Recht.