Amelie Anders

Interview: Frauen in KI und Robotik

Nur 16 Prozent der Arbeitnehmenden im KI-Bereich sind weiblich. Damit sind Frauen in der KI-Szene deutlich unterrepräsentiert. Woran liegt das und wie lässt sich das ändern? Amelie Anders hat sich in ihrer Masterarbeit mit Gender in der KI-Industrie beschäftigt und ist selbst in der IT tätig. Im ARIC-Interview spricht sie über ihre Forschungsergebnisse und den Verein Women in AI and Robotics.

ARIC: Du hast deine Masterarbeit über Frauen in der KI-Branche geschrieben. Warum findest du das Thema wichtig?

Amelie Anders: Vor zwei Jahren hat mich das Thema nicht tangiert. Ich habe mich nicht als „Frau in der Techszene“ identifiziert, aber ich wurde mit dem Zaunpfahl darauf hingewiesen. Ich habe an Kursen an der Uni teilgenommen, wegen der Pandemie war alles online. In einem Kurs über Machine Learning mussten wir uns anonym peer-reviewen. Meine Peers haben meine Essays kommentiert mit „He writes blablabla“, „I would do it like him“. Ich identifiziere mich nicht als he/him und habe ich gar nicht gesehen gefühlt. Und ich dachte mir: Was passiert hier gerade? Es ist der Default, dass man von einem Mann schreibt. Das war der Beginn von meinem Rabbit Hole.

 

Was hast du in deiner Masterarbeit herausgefunden?

Die Forschungsfrage war: How is gender problematized in the AI industry? Ich habe Interviews mit Frauen in der KI-Szene geführt. Es geht darum, dass ihnen Expertise abgesprochen wird. Wir kommen in den Raum und werden gar nicht wahrgenommen oder nur als Sekretärin oder Assistentin. Es dauert sehr lange und braucht viel mehr Arbeit als bei Männern, dass man überhaupt als KI- oder Robotikexpertin wahrgenommen wird. Role Models waren auch ein Thema.
Das sind Themen, die alle Personen betreffen, die sich in so genannten Randgruppen befinden. Das ist kein reines Techproblem. In allen Branchen ist viel Arbeit zu leisten.

 

Woran können wir arbeiten, um diese Situation zu ändern?

Es gibt viele verschiedene Hebel und alle sind wichtig.

Ich engagiere mich bei Women in AI and Robotics. Es ist sehr wichtig, Communities zu bilden. Dort wollen wir Menschen einen Raum bieten, sich zu vernetzen. Nur 16 Prozent der Angestellten in KI-Berufen in Deutschland sind weiblich. Es ist wichtig, dass das mehr werden. Aber Parität bringt nichts, wenn die Strukturen sich nicht ändern und es zum Beispiel trotzdem toxische Maskulinität oder Konkurrenzkämpfe gibt. Es ist nicht nur die Aufgabe von Frauen das anzugehen. Wir haben beispielsweise ein systemisches Problem mit emotionaler Arbeit. In Teams sind es meistens die Frauen, die Geschenke organisieren. Das ist jetzt aber nicht das Thema, um Exposure und Benefits zu bekommen.

 

Wie arbeitet euer Verein?

Die übergeordnete Mission ist die Geschlechtergerechtigkeit und Inklusion von Frauen* in KI und Robotik. Als Verein sind wir in Deutschland am präsentesten, aber auch z.B. in Kanada wachsen wir stetig. Wir machen Hackathons zusammen. Die Community ist groß und wächst stark. Wir organisieren und lokal, zB.mit Meetups. Deutschlandweit mit Events zeigen wir: Hier sind wir, die Frauen, die Playerinnen, die Expertinnen. Wir haben zum Beispiel bald ein Event über AI and Sustainability, da geht es um Carbon Accounting. Wir geben den Frauen, die sich damit auskennen, eine Bühne. Auf dem Hackathon der automatica in München gab es letztes Jahr nur Männer – in der Jury und den Teams. Da sagen wir „nee“. Wir sind gerade dabei, unsere eigenen Teams aufzustellen. Wir beschweren uns nicht nur, wir wollen auch machen, zum Beispiel mit Mentorships und indem wir in die Schulen gehen. Wir müssen früher anfangen. Und wir machen Workshops mit Menschen, die nach Deutschland kommen wollen. Die Community ist sehr international.

 

Was gibt es für Positivbeispiele?

Wenn man sich andere Länder anguckt, kann man ganz tolle Perspektiven erkennen. Laut World Economic Forum sind weltweit 32 Prozent der Arbeitnehmenden im Bereich Data und AI Frauen. Und dann guckst du so für Deutschland – 16 Prozent.

Es gibt andere Länder, die da viel besser sind. Das sind viele Länder im asiatischen Raum: Indien, Malaysia, Singapur. Die Vermutung ist, dass in unseren Gesellschaften, die viel Wohlstand haben, diese stereotypischen Genderdynamiken mehr reinspielen. Du bekommst als Frau jung gesagt: „Jungs können Technik eh viel besser“. Deswegen entsteht später eine Spaltung, Frauen hier haben eine Tendenz zu sagen „Mathe kann ich ja eh nicht, ich entscheide mich für Geisteswissenschaften.“ Auch Männer leiden alle unter diesen Stereotypen. In anderen Ländern sind Computer Science und AI mehr mit weiblichen Playern besetzt.

 

Was für Themen außer Gendergerechtigkeit sind dir noch wichtig?

Rassismus, Klassismus. Das Thema sozialer Aufstieg finde ich auch sehr wichtig. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie in Ostdeutschland und wohne in München. Da erlebe ich echt komische Sachen. Solche Diskriminierungsfaktoren können auch in Technologien wie ChatGPT auswirken.

Und was LLM für einen Energieverbrauch haben! Python ist auch keine ressourcenschonende Programmiersprache. Ich finde Technik toll, aber Technik ist nicht die Lösung für alles.

 

Wie sieht eigentlich dein beruflicher Weg aus?

Ich habe einen geisteswissenschaftlichen Bachelor gemacht und dann beim Übergang zum Master festgestellt, dass ich gerne Richtung Technologie gehen will. Und dann habe ich mich für den Master Responsibility in Science, Engineering and Technology in München entschieden, der einen Schnittstellengedanken hat. Den habe ich genutzt, erst in die Softwareentwicklung zu gehen. Da ging es um SCRUM und Agilität. Nebenbei habe ich programmieren gelernt und bin so Schritt für Schritt immer tiefer gegangen, bis ich mehr mit KI zu tun hatte. Man kann auch mit KI arbeiten, ohne Programmiererin zu sein. Es gibt viele Jobs drumherum, die sich damit befassen. Ich kann alle, die sich interessieren, nur dazu ermuntern. Nach dem Master bin ich dann ins IT-Projektmanagement gegangen.

 

Was bedeutet dir der 8. März?

Es sollte normal sein, verschiedene Menschen auf der Bühne zu haben und dazu trägt der Frauentag bei. Aber es darf da nicht aufhören. Langfristig muss es sich dahin entwickeln, dass KI für alle, von allen mit allen gemacht wird.

 


Links zum Schwerpunkt: Frauen* in der KI