Wie beeinflusst ChatGPT die Jurawelt? Werden Urteile bald nur noch von Robotern gesprochen? Und was sagt eigentlich die Rechtssprechung zu den neuesten Entwicklungen der generativen KI? In der neuen Kolumne Richter und Roboter von ARIC und Fieldfisher beleuchten Dennis Hillemann und Stephan Zimprich im Wechsel einmal monatlich Themen aus KI und Recht. Im Februar geht es um Datenschutz und die Einschränkungen, die er mit sich bringt.
Puh, gerade noch mal Glück gehabt. Der Fortschritt ist nicht unaufhaltsam, der Anwaltsberuf gerettet. Die Bundesländer-Taskforce „Künstliche Intelligenz“ hat den Superjoker gezogen und die Datenschutzbeauftragten der Länder auf OpenAI angesetzt. Aber ist das nun wirklich gut?
Vor einigen Wochen habe ich ein Tool namens CoCounsel ausprobiert, und danach war ich für ein paar Tage fest davon überzeugt, in den Abgrund gesehen zu haben. CoCounsel basiert auf GPT4 und kann recherchieren, zusammenfassen, Verträge analysieren und die Ergebnisse in hübsch formatierten Memos und Tabellen ausgeben. Als Test habe ich zwei Memos erstellen lassen zu Themen, an denen ich aktuell arbeite. Die Ergebnisse: erschreckend gut. Hätte ein Associate dafür drei oder vier Stunden gebraucht, ich hätte nichts zu meckern gehabt. CoCounsel hat 3 Minuten gebraucht. Und bevor jetzt wieder jemand um die Ecke kommt und sagt ja gut, ist ja englischsprachig, und deutsches Recht kennt das Tool auch nicht – ja, stimmt, aber es ist ja klar, dass so etwas auch für den deutschen und europäischen Markt kommt, und das eher in Monaten als in Jahren.
Anwält:innen sind darauf konditioniert, in worst case-Szenarien zu denken. Fürs eigene Geschäftsmodell, in Kürze: Anwält:innen in den meisten größeren Kanzleien verkaufen Zeit. Ihre eigene Zeit, Partner dann auch die Zeit ihrer Associates. Wenn ein:e Mandant:in von einer Software künftig die gleiche Antwort in wenigen Minuten bekommt, für die er heute mehrere Stunden eines Associate kaufen muss, dann ist klar: Das wird so nicht weitergehen. Ich habe dann ein paar alte Pläne hervorgekramt. Fahrradwerkstatt aufmachen, Künstler werden, so was.
Über den Autoren
Stephan Zimprich ist spezialisiert auf Fälle mit Technologiehintergrund und berät Mandant:innen hauptsächlich aus dem Digitalsektor in den Bereichen Datenschutz, Wettbewerbsrecht, Medienrecht und IT-Recht.
Aber auf Deutschland ist dann doch Verlass. Wenn die Digitalisierung voranzukommen droht, dann zack, Wunderwaffe Datenschutz. Das führt bei mir schnell zu Puls, weil: der hat bisher noch jeden Innovationsversuch gestoppt und Behörden, Schulen, Krankenhäuser, Universitäten und Gerichte zuverlässig vor gefährlicher digitaler Verbesserung „geschützt“. These, nur leicht überspitzt: Wer in Deutschland was werden will, der muss erst an den Landesdatenschutzbeauftragten vorbei. „Das breitflächige Ausrollen der KI im Blindflug – ohne rechtliche Grundlage – das ist das Hauptproblem“, sagt Dieter Kugelmann, Leiter der Bundesländer-Taskforce für „Künstliche Intelligenz“ und seit 2015 Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz und kündigt ein koordiniertes Vorgehen der Landesdatenschutzbehörden gegenüber OpenAI an. Gut, dass man für Innovationen in Deutschland eine Rechtsgrundlage braucht. Unternehmerische Freiheit, wäre ja noch schöner, wo kommen wir da hin, und in den 1970ern war sowieso alles besser, da gab es kaum Computer und kaum Daten, ein Traum. Deutschland zieht den datenschutzrechtlichen Zaun hoch. Eigentlich alles wie immer, ob Schrems 2, Office 365 oder Unterricht per Videokonferenz während der Pandemie – „aber der Datenschutz!“, nichts einfacher als Verhinderung, ist schließlich Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
Ob das alles so richtig ist? Schwierig. Sprachmodelle haben Wucht, klar. Und die Entwicklungsgeschwindigkeit ist enorm. Ein bisschen Tempo rausnehmen, meinetwegen. Die Pläne für die Fahrradwerkstatt sind trotzdem wieder in der Schublade. KI macht Anwälte effizienter, klar. Das kann auch Kraft freisetzen. Können jetzt vielleicht Leistungen, die „vor KI“ zu teuer waren, um bei Mandanten wirklich auf Interesse zu stoßen, zu attraktiven Konditionen angeboten werden? Schaffen neue Angebote neue Bedürfnisse? Eine Herausforderung. Wir müssen kreativ sein, und wir werden neue Dinge ausprobieren. Manche werden scheitern, manche werden funktionieren. Klingt nicht schlecht, finde ich. Und schon bin ich wieder sauer auf den Datenschutz, Deutschland 1970, das hätten sie wohl gern.